JA
die neue Kirchenzeitung
15. Juni 2025
Lesungen: Spr 8,22-31; Röm 5,1-5; Evangelium: Joh 16,12-15.
Am Tag danach
Am Tag nach dem Amoklauf in Graz hatten Pädagoginnen und Pädagogen die Aufgabe, mit ihren Kindern und Jugendlichen die Schreckenstat aufzuarbeiten.
Das fiel klarerweise sehr unterschiedlich aus.
In Gymnasien waren Alterskollegen der Opfer weit mehr betroffen als Kinder in Volksschulen.
Ich hatte mit Acht- bzw. Neunjährigen zu sprechen. Eine Gratwanderung: Aufarbeitung ja, aber Ruhe und Stabilität vermitteln.
Ich nahm mir nichts Besonders vor, sondern nur, das zu sagen, was die Kinder von mir wissen wollten.
Aber, sollte es nicht eigentlich immer so sein, dass wir Erwachsene es unterlassen, Kindern unsere Programme vorzutragen, sondern sie ernst zu nehmen und auf ihre Anliegen einzugehen? P. Udo
Papst trauert um Opfer von Amoklauf in Grazer Schule
Papst Leo XIV. hat nach dem Amoklauf in einer Schule in Graz mit elf Toten und zahlreichen Verletzten sein Mitgefühl mit den Betroffenen bekundet. „Ich möchte die Opfer der Tragödie in der Schule in Graz meines Gebets versichern", sagte der Papst am Mittwoch am Ende der Generalaudienz auf dem Petersplatz. „Ich bin den Familien, den Lehrern und den Schulkameraden der Opfer nahe. Möge der Herr diese seine Kinder in seinen Frieden aufnehmen."
Am Dienstag hatte ein 21-Jähriger in einem Oberstufenrealgymnasium in Graz das Feuer auf Schüler und Lehrer eröffnet und zehn Menschen getötet. Unter den Toten sind laut Behördenangaben neun Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren und eine Lehrerin. Elf Verletzte werden in Krankenhäusern behandelt. Der Täter - ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums - beging Suizid.
Foto: Vatican News.
„Lichter der Hoffnung" bei Gedenkgottesdienst im Stephansdom
Mit einem Gedenkgottesdienst im Wiener Stephansdom hat das offizielle Österreich am Donnerstagabend zum Ende der dreitägigen Staatstrauer der Toten des Amoklaufes in Graz gedacht. Der Gottesdienst fand in christlicher Gastgeberschaft mit Vertretern der Kirchen und Religionsgemeinschaften statt. Erzbischof Franz Lackner, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, stand dem Gottesdienst vor. An seiner Seite waren u.a. der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl, der evangelische Bischof Michael Chalupka, der orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis) und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ümit Vural.
Das offizielle Österreich wurde an erster Stelle von Bundespräsident Alexander Van der Bellen repräsentiert. Die gesamte Bundesregierung mit Bundeskanzler Christian Stocker, Vizekanzler Andreas Babler und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger an der Spitze war ebenfalls vertreten.
Der Wiener Apostolische Administrator Josef Grünwidl sagte in seinen Begrüßungsworten: "Die Staatstrauer endet heute um 19 Uhr mit diesem Gottesdienst, doch die Wunden, die die schrecklichen Ereignisse bei den Freunden, Lehrern und Menschen aufgerissen haben, bleiben. Gott sei aber da, „um in unsere Dunkelheit ein Licht der Hoffnung zu bringen", fuhr Grünwidl fort, „dort, wo wir sind, und wenn Menschen leiden, dann ist Gott im Leiden. Er lässt uns nicht im Stich, auch nicht in der Verzweiflung, nicht im leisen Weinen und auch wenn wir unsere Klagen und unseren Schmerz hinausschreien", so Grünwidl. Gott sei da, "um in unsere Dunkelheit ein Licht der Hoffnung zu bringen".
Zehn auf Schulsesseln aufgestellte weiße Kerzen wurden für die Opfer des Amoklaufs von Schülerinnen und Schülern entzündet sowie von Vertretern des Staates und der Religionsgemeinschaften: von Bundespräsident Van der Bellen, Bundeskanzler Stocker, Bildungsminister Christoph Wiederkehr sowie von Bischof Krautwaschl, Metropolit Arsenios, Bischof Chalupka und Präsident Vural. Administrator Grünwidl stellte im Anschluss eine weitere brennende Kerze für den Täter zu Füßen der Stühle auf.
„Einer trage des anderen Last"
Erzbischof Lackner hielt in seiner Schriftdeutung fest: „Wir sind zusammengekommen, um zu beten, unsere Herzen zu Gott zu erheben. Es ist eine Zeit des Klagens gekommen, jedoch nicht ohne Zuspruch und Hoffnung." In Bezugnahme auf die Worte der Schriftlesung „Einer trage des anderen Last!" bemerkte Lackner, dass in Österreich in der Trauerzeit ein merkliches Zusammenrücken stattgefunden habe. „Wir haben eine gemeinsame Aufgabe und Verantwortung für das Gelingen von Leben neu gespürt", so der Erzbischof. Es gehe nun darum, „im Antlitz des anderen den Bruder, die Schwester und nicht den Feind zu sehen".
Christliche Gebete und Koranrezitation
Bischof Chalupka nahm in einem Gebet Bezug auf die vor dem Volksaltar des Domes aufgestellten Sessel, die nun "immer leer" bleiben würden. Die Hilflosigkeit und der Schmerz würden ein Gefühl der Wehrlosigkeit hinterlassen. Dennoch, hieß es in seinem Gebetstext, möge Gott "die Antwort auf alle Fragen" sowie "Licht in unseren Dunkelheiten" sein.
Imam Ermin Sehic rezitierte Verse aus dem Koran, in denen die Hoffnung auf ewiges Leben bei Gott zum Ausdruck kommt.
In den Abschlussworten rief Administrator Grünwidl dazu auf, "nach vorne zu schauen und aufeinander zu schauen". Es gelte mehr denn je, "aufmerksam und wach" zu leben und "das Wir über das Ich zu stellen, das Gespräch nie abreißen zu lassen und still zu hoffen, dass das Gute siegt".
Nahost-Kirchenrat startet eigenen Fernsehsender
Der Nahost-Kirchenrat („Middle East Council of Churches"/MECC) hat einen neuen „ökumenischen" Fernseh- und Radiosender für die Region initiiert. Der Sender „MECC TV" hat am 10. Juni Testsendungen aufgenommen, berichtet der römische Pressedienst "Fides". Das neue Medienangebot verstehe sich als Instrument des gemeinsamen Zeugnisses für die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Nahen Ostens.
In einer Zeit, in der Informationen teils sogar verbrecherisch manipuliert würden, sei eine am Wohl der Allgemeinheit orientierte Weitergabe und Verbreitung "eine menschliche, nationale und religiöse Pflicht", erklärte der Generalsekretär des Kirchenrates, Michel Abs, zum Start des Senders.
Der jordanische Priester Rifaat Bader, Initiator und Chefredakteur des Nachrichtenportals "abouna.org" hob hervor, dass die ökumenische Initiative, die darauf abziele, Christen in der Verkündigung des Evangeliums durch die Medien zu vereinen, gerade zum aktuellen 1.700-Jahr-Jubiläum des Konzils von Nicäa (Nizäa) Gestalt annehme, bei dem das gemeinsame Glaubensbekenntnis formuliert wurde, das noch Christen verschiedener Konfessionen sprechen.
Im seit 1974 bestehenden Nahost-Kirchenrat mit Sitz in Beirut im Libanon sind alle Kirchenfamilien (katholisch, orthodox, orientalisch-orthodox, reformatorisch) vertreten. Ziel des Zusammenschlusses ist es, die Kooperation christlicher Gemeinschaften im Nahen Osten zu intensivieren und religiöse Vielfalt zu fördern.
Erzbischof: Christen in Syrien leben weiter in Unsicherheit
Christen werden in Syrien derzeit nicht verfolgt, dennoch ist die Kirche im Land vorsichtig: Das ist die Einschätzung des syrisch-katholischen Erzbischofs von Homs, Jacques Mourad, wie das Hilfswerk „Kirche in Not" in München mitteilte. Gottesdienste oder Prozessionen könnten zwar ungehindert stattfinden, sagte der Erzbischof demnach bei einer Online-Pressekonferenz des Hilfswerks. Die neue Regierung habe außerdem viele versöhnliche Gesten gegenüber den Christen und anderen religiösen Minderheiten gemacht. Aber regional gebe es recht unterschiedliche Regelungen und niemand wolle sich das Missfallen der neuen Verantwortlichen zuziehen.
Das wirke sich auch auf die kirchliche Arbeit aus: „Wir veranstalten im Sommer normalerweise Ferienlager an der syrischen Küste, Mädchen und Jungen gemeinsam. Dieses Jahr verzichten wir darauf, weil wir Angst vor der Reaktion der neuen Behörden in diesen Regionen haben." Zudem wanderten Christen angesichts der unsicheren Lage weiterhin ab. Früher seien es vor allem junge Männer gewesen, die dem Militärdienst in der Assad-Diktatur hätten entgehen wollen. Nun gingen vor allem junge Familien. „Sie wollen ihre Kinder nicht in einem Land aufwachsen lassen, in dem Islamisten die Straße kontrollieren."
Priesterweihen 2025: Mehr Jungpriester als Spätberufene
In der katholischen Kirche Österreichs gibt es heuer mindestens 26 Neupriester: Das zeigt eine aktuelle Kathpress-Umfrage bei den Diözesen und Priester-Ausbildungsstätten anlässlich des bevorstehenden Peter-und-Paul-Fests am 29. Juni. Die bislang erhobenen Zahlen - die Weihetermine der Orden sind erst teilweise bekannt - deuten auf eine Verjüngung der Priesterseminaristen hin: Lag das Durchschnittsalter der Kandidaten bei der Weihe in den vergangenen Jahren meist bei 35 Jahren und mehr, so beträgt es diesmal nur 34 Jahre, da die Hälfte der angehenden Priester erst zwischen 27 und 31 Jahre alt ist. Der Trend zu weniger spätberufenen und mehr jungen angehenden Neupriestern setzt sich somit fort, die Gesamtzahl ist leicht gestiegen.
Die größte Priesterweihe findet am 14. Juni statt: Kardinal Christoph Schönborn wird im Wiener Stephansdom fünf Neupriester für die Erzdiözese Wien weihen.
Anteil der Christen an Weltbevölkerung geht zurück
Christen sind weiterhin die größte Religionsgemeinschaft weltweit, aber ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung geht zurück. Nach unterschiedlichen Erhebungen schrumpfte zwischen 2010 und 2020 der Christenanteil an der Bevölkerung um 1,8 Prozentpunkte auf 28,8 Prozent, wie aus einer aktuellen Auswertung des Washingtoner Pew Research Center hervorgeht. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Muslime um 1,8 Prozentpunkte auf 25,6 Prozent.
Ein stärkeres Wachstum als die Weltbevölkerung verzeichneten ansonsten nur die Religionslosen: Im Jahr 2020 stellten sie 24,2 Prozent der Gesellschaft, 0,9 Prozentpunkte mehr als 2010. Für die Statistik wertete das Forschungszentrum über 2.700 behördliche Erhebungen und Umfragen aus.
347 Millionen mehr Muslime
In absoluten Zahlen kamen 2020 alle christlichen Konfessionen zusammen auf 2,3 Milliarden Menschen. Sie wuchsen im betrachteten Jahrzehnt demnach um 121,6 Millionen, aber nicht so stark wie die Bevölkerung insgesamt. Muslime legten um 346,8 Millionen zu und erreichten so die Marke von 2 Milliarden. Die drittgrößte Gruppe bilden Personen ohne Religionszugehörigkeit - weltweit 1,9 Milliarden Menschen, ein Plus von 270,1 Millionen in zehn Jahren.
Die Zahl der Hindus wuchs um 126 Millionen auf 1,2 Milliarden Menschen. Die Buddhisten waren die einzige Gemeinschaft, die auch in absoluten Zahlen schrumpfte: um 18,6 Millionen auf zuletzt 324 Millionen weltweit.
Die Kirche ist in Kolumbien eine „Verbündete des Friedens“
Anlässlich des 190-jährigen Jubiläums diplomatischer Beziehungen zwischen der Republik Kolumbien und dem Heiligen Stuhl veranstaltete die kolumbianische Botschaft beim Vatikan ein Fachgespräch über gerechte Übergänge und die Rolle der Kirche beim Aufbau eines sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen lateinamerikanischen Entwicklungsmodells. Radio Vatikan sprach im Rahmen dieser Veranstaltung mit Mauricio Jaramillo, dem stellvertretenden Minister für multilaterale Angelegenheiten im kolumbianischen Außenministerium.
„Die Kirche war stets mehr als ein rein religiöser Akteur in Kolumbien“, sagte Jaramillo. „Sie war und ist eine Verbündete des Friedens – verstanden als ein sozialer Prozess, der der Gesellschaft insgesamt gehört.“ Der Vizeaußenminister unterstrich zudem die Bedeutung der aktuellen Herausforderungen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Insbesondere während des Pontifikats von Papst Franziskus sei die Verbindung von Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit betont worden. Das Gespräch sei daher auch eine Erinnerung an die Notwendigkeit eines Entwicklungsmodells, „das die Bedürfnisse der Gegenwart erfüllt, ohne die Chancen künftiger Generationen und der Erde zu gefährden“.
Auf die Rolle der Kirche in konkreten Friedensprozessen angesprochen, nannte Jaramillo drei zentrale Beiträge: Erstens habe die Kirche in Momenten der Eskalation des bewaffneten Konflikts stets für Waffenstillstände und die Freilassung von Geiseln gewirkt und dabei auf das humanitäre Völkerrecht verwiesen. Zweitens sei sie als Vermittlerin in Dialogprozessen mit bewaffneten Gruppen präsent gewesen. Drittens fördere sie in der Gesellschaft einen offenen Dialog und sei eine konstante Stimme für friedliche Konfliktlösung in einem von Gewalt geprägten Land.
Foto: Vatican News.
UNO-Generalsekretär Guterres traf Papst Leo im Vatikan
UNO-Generalsekretär António Guterres ist am Mittwoch von Papst Leo XIV. empfangen worden. Anschließend sprach er mit dem päpstlichen Chefdiplomaten Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin und dem vatikanischen Außenminister Paul Gallagher. Das vatikanische Presseamt teilte im Anschluss mit, in den Gesprächen sei die Unterstützung des Heiligen Stuhls für die Bemühungen der UN um Frieden in der Welt betont worden.
Ferner habe man über „andauernde Prozesse" sowie über bevorstehende Gipfel gesprochen, die von den Vereinten Nationen organisiert werden. Dabei seien auch die Schwierigkeiten zur Sprache gekommen, denen sich die UNO „bei diversen gegenwärtigen Krisen in der Welt" gegenübersehe. Man habe „über bestimmte Konfliktsituationen" und Spannungen gesprochen, hieß es ohne weitere Angaben.
Foto: Vatican Media.
Zahl von Konflikten weltweit auf höchstem Stand seit 1946
Die Zahl der Kriege und Konflikte weltweit hat einen neuen Höhepunkt erreicht. 2024 gab es 61 Konflikte in 36 Ländern, bei denen mindestens eine der Kriegsparteien ein Staat war, teilte das Friedensforschungsinstitut Oslo (Prio) am Mittwoch in seinem Bericht "Conflict Trends: A Global Overview, 1946-2024" mit. Das sei die höchste Zahl seit mehr als sieben Jahrzehnten.
P. Anselm Grün über Leo XIV.: „Ein Papst, der weiß, wohin er gehen soll“
Pater Anselm Grün, Benediktinermönch und Autor spiritueller Bücher, hat den Führungsstil von Papst Leo XIV. als nüchtern und tiefgründig beschrieben. Im Gespräch mit der italienischen Nachrichtenagentur Sir äußert sich Grün zum Beginn des neuen Pontifikats und betont die Bedeutung von Diskretion, Zuhören und Fürsorge.
Der Benediktinermönch der Abtei Münsterschwarzach äußerte sich zum Beginn des Pontifikats von Papst Leo XIV. P. Anselm Grün stellte fest, dass der neue Pontifex nicht nach Sichtbarkeit strebe, sondern eine diskrete Präsenz wähle. Für Grün signalisiere dies eine klare Richtung: Raum für das Wesentliche zu schaffen.
Zurückhaltung und Stille als Kommunikationsmittel
Grün erläuterte, dass es in jeder authentischen Form von Autorität heilsam sei, Abstand zu halten. Er erklärte, dass man in der Stille lerne, auf das Wesentliche zu hören. Aus dieser Stille könnten Worte entstehen, die Menschen wirklich berühren, besonders in einer Zeit, die von vielen Worten geprägt sei.
Auf die Frage nach einer möglichen „Spiritualität des Zurücktretens“ im Kommunikationsstil von Leo XIV. in den ersten Tagen seines Pontifikats – geprägt von tiefem Schweigen, wenigen Worten und einfachen, aber ausdrucksstarken Gesten – antwortete Pater Grün: „Papst Leo wollte sich nicht repräsentieren. Er war einfach nur da. Zurücktreten ist für jede Autorität etwas Gesundes. Man spürt, dass er sich nicht in den Mittelpunkt stellt, sondern sich in der Stille dem Wesentlichen öffnet. Und aus dieser Stille entstehen Worte, die die Menschen wirklich berühren können. Diese nüchternen Worte sind eine wichtige Botschaft für uns heute, denn wir leben unter einer Flut von Worten.“
Der Name Leo: Mut, Klarheit und Kontinuität
Der seit über einem Jahrhundert nicht mehr verwendete Name Leo stehe für innere Stärke, Wachsamkeit, aber auch für Kontinuität und kirchliche Tradition. Pater Grün interpretierte die spirituelle Bedeutung dieses Namens als Ausdruck von Mut und Klarheit: „Der Löwe weiß, was er will. Er ist auch ein Symbol für Treue und die Pflege von Beziehungen. Das Bild des Löwen passt daher zu einem Papst, der weiß, wohin er will, der in der Lage ist, das voranzutreiben, was er für richtig hält, der aber gleichzeitig großen Wert auf die Beziehungen zu den Menschen legt.“
Er verwies auf historische Päpste dieses Namens: Leo den Großen, der Attila begegnete und ein politisches Zeichen setzte, sowie Leo XIII., der die erste Sozialenzyklika verfasste. Grün deutet an, dass Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt auch für den neuen Papst ein Anliegen sei.
Fürsorge und alltägliche Gesten als Ausdruck von Führung
Zu den häufig genannten Wörtern im ersten Monat des Pontifikats gehört „Fürsorge“: für den anderen, die Gemeinschaft, die Schöpfung. Pater Grün, der selbst Texte über die Kunst der Fürsorge als spirituellen und menschlichen Weg verfasst hat, erkennt in dieser Betonung des Papstes eine Intuition für spirituelle Führung in der heutigen Zeit. „Fürsorge für Menschen – aber auch für die Natur – entspringt der Liebe zum Lebendigen. Und sie drückt sich in tiefem Mitgefühl aus. Mitgefühl für jedes Lebewesen steht an erster Stelle. Wenn ich Mitgefühl für jemanden empfinde, versuche ich auch, mich bestmöglich um ihn zu kümmern. Mitgefühl und Fürsorge sind heute grundlegende Einstellungen für jeden, der eine Führungsrolle übernimmt. Wenn der Papst diese Werte lebt, ist er eine glaubwürdige Referenz für alle Verantwortlichen, auch in Politik und Wirtschaft.“
Autorität durch Demut
Pater Grün wies darauf hin, dass jede wahre geistliche Autorität aus Demut entstehe, nicht aus dem Wunsch zu befehlen. Er sah in Papst Leo XIV. im ersten Monat seines Pontifikats Zeichen einer inneren Autorität, die auf Demut basiert.
Papst Leo XIV. setzt vatikanische Hilfe für Ukraine fort
Papst Leo XIV. setzt die Hilfe des Vatikans für die Ukraine fort. Wie das Portal „Vatican News" am Donnerstag berichtete, traf in dieser Woche ein großer LKW der Apostolischen Almosenverwaltung in der vom Krieg besonders betroffenen ostukrainischen Metropole Charkiw ein.
Der für die Hilfslieferungen zuständige Kurienkardinal Konrad Krajewski erklärte, dass die Aktivitäten seiner Behörde auch zwischen dem Tod von Papst Franziskus und der Wahl von Leo XIV. fortgesetzt worden seien. Die Almosenbehörde gehört zu den wenigen Einrichtungen im Vatikan, die auch im Fall eines Papsttodes unvermindert weiterarbeiten.
Der LKW war an der Basilika Santa Sofia in Rom, der größten griechisch-katholischen Kirche der dortigen ukrainischen Gemeinde, beladen worden. Geliefert wurden unter anderem Lebensmittel, Matratzen, Kinderausstattung, aber auch Möbel, die aus einem Hotel stammen, das seine Einrichtung abgegeben hatte.
Foto: Vatican News.
Kiewer Sophienkathedrale bei Luftangriff beschädigt
Bei einem russischen Raketenangriff ist nach Angaben des ukrainischen Kulturministeriums auch die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörende Kiewer Sophienkathedrale beschädigt worden. Die Druckwelle habe am Dienstag ein Stück Gesims der Außenfassade zerstört, teilte das Ministerium mit. Glücklicherweise gebe es keine Schäden im Inneren des im 11. Jahrhunderts errichteten Sakralbaus. Die Sophienkathedrale im Stadtzentrum gilt als der bedeutendste Sakralbau Kiews.
Neuer Abt von Stift Lambrecht
Die Benediktiner von Stift St. Lambrecht haben am Dienstag P. Alfred Eichmann zum neuen Abt gewählt. Er folgt auf Abt Benedikt Plank, der am 9. Juli sein 76. Lebensjahr vollenden wird.
Alfred Eichmann wurde am 18. Dezember 1975 geboren und ist in Mariahof aufgewachsen. Er begann am 16. September 1995 sein Noviziat; die zeitliche Profess legte er am 13. September 1996 ab, die ewige Profess am 17. September 1999, die Priesterweihe empfing er am 5. Juli 2002.
Das Studium der Theologie absolvierte Eichmann in Salzburg und Rom, die Praktikums- und Kaplansjahre in Leoben und Bruck an der Mur. Nach 3 Jahren als Seelsorger in Mariazell ist er seit 2011 Pfarrer in Neumarkt und Zeutschach, seit 2016 auch in Mariahof, Perchau und Greith, seit 2021 zudem Pastoralverantwortlicher im Seelsorgeraum St. Lambrecht. Als Novizenmeister und Klerikermagister trägt er bereits seit 2013 Verantwortung für die klösterliche Jugend.
Kurznachrichten
Weltweit ist jedes zehnte Kind von Kinderarbeit betroffen: Darauf hat die Hilfsorganisation "Jugend Eine Welt" im Vorfeld des „Welttags gegen Kinderarbeit" (12. Juni) aufmerksam gemacht. Nach Schätzungen der International Labour Organization (ILO) müssen weltweit 160 Millionen Mädchen und Buben zwischen 5 und 17 Jahren unter Bedingungen arbeiten, die ihre Rechte verletzen.
Vatikan. KI-gefälschte „Predigten" von Papst Leo XIV. fluten derzeit das Internet. Der Vatikan reagiert alarmiert auf die Flut gefälschter Inhalte und erinnert daran, dass "alle Reden, Ansprachen und Texte von Papst Leo XIV. vollständig auf "vatican.va" eingesehen werden können."
Der Vatikan hat eine staatlich anerkannte Bischofsernennung in der Volksrepublik China bekanntgegeben und den Vorgang als Erfolg gewertet. Wie das vatikanische Presseamt am Mittwoch erklärte, konnte am selben Tag Joseph Lin Yuntuan (73) sein Amt als Weihbischof in der Diözese Fuzhou (Provinz Fujian) mit Anerkennung durch die staatlichen Behörden antreten.
Italien. Die Bedeutung der „Wiener Christologischen Formel" für die Ökumene stand im Zentrum eines von der Stiftung Pro Oriente verantworteten Panels bei einer internationalen Nicäa-Tagung in Rom.
Mexiko. Im südmexikanischen Tuxtla Gutiérrez haben sich Bischöfe und Migrationsseelsorger aus Mexiko und Guatemala versammelt, um gegen die fremdenfeindliche und kriminalisierende Migrationspolitik der "nördlichen Regierungen" Mexikos zu protestieren.
Griechenland. Bei einem Unterwasserbeben vor der griechischen Küste sind Medienberichten zufolge die orthodoxen Klöster am Berg Athos leicht beschädigt worden.
Deutschland. In der Nacht zum Pfingstsonntag hat ein 19-jähriger Mann in der Wallfahrtskirche Sankt Anna in Altötting randaliert. Dabei beschädigte und beschmutzte er eine Vielzahl sakraler Gegenstände, wie die Polizei mitteilte. Nach erster Einschätzung sei ein Sachschaden im mittleren fünfstelligen Bereich entstanden. Vermutlich habe sich der Mann am Samstagabend in der Kirche einschließen lassen.
Deutschland. Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke (70) ist zurückgetreten. Der Benediktiner will in Zukunft als einfacher Seelsorger wirken. Nach vielen Herausforderungen und Krisen spüre er eine „innere Ermüdung". Besonders erschütternd seien für ihn die Gespräche mit Betroffenen sexualisierter Gewalt gewesen.
Deutschland. Wittenberg begeht am 15. Juni mit einem großen Stadtfest den 500. Jahrestag der Hochzeit von Martin Luther und Katharina von Bora. Die Heirat des Paares am 13. Juni 1525 war eine Skandalhochzeit. Nicht nur die Gegner des Reformators waren entsetzt über die Eheschließung des ehemaligen Mönchs mit einer entlaufenen Nonne.
Österreich
Salzburg. Als eine „Freude" hat der Salzburger Erzbischof Franz Lackner am Samstag das Loretto-Pfingstfest bezeichnet, bei dem sich rund 12.000 Jugendliche und junge Erwachsene an 28 Orten im deutschsprachigen Raum versammelt haben. Beim zentralen Gottesdienst im Salzburger Dom betonte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz die spirituelle Bedeutung des Lobpreises und motivierte zu einer stärkeren Wertschätzung heiliger Orte und des Gebets in der katholischen Kirche: "Der Lobpreis kommt in der katholischen Kirche zu kurz - Gott die Ehre zu geben!"
Salzburg. Der Virgilbus, die mobile medizinische Betreuung von Menschen in Not in der Stadt Salzburg, wird von der Caritas der Erzdiözese Salzburg verstärkt fortgeführt. In Kombination mit der Virgilambulanz können Menschen ohne Versicherung oder mit erschwertem Zugang zum Gesundheitssystem bestmöglich versorgt werden. Initiator Sebastian Huber und die Diakonie ziehen sich nach mehr als zehn Jahren aus dem Projekt zurück.
Steiermark. Im Zeichen des Heiligen Jahres 2025 und dessen Motto „Pilger der Hoffnung" stand einer der größten regelmäßigen Fußwallfahrten Österreichs, die am Pfingstmontag in Mariazell ihren Höhepunkt gefunden hat: Mehr als 500 Pilgerinnen und Pilger erreichten in Mariazell das Ziel der von der Jüngergemeinschaft (JG) organisierten Sternwallfahrt, nach mehrtägigen Fußmärschen der beteiligten Gruppen aus verschiedenen Teilen Österreichs.
Tirol. Im Rahmen des Heiligen Jahres wird der Zeitraum von Pfingsten bis 6. Juli im Innsbrucker Dom zu St. Jakob zum Pilgermonat erklärt. Im Mittelpunkt steht das berühmte Mariahilf-Bild von Lucas Cranach dem Älteren, das nach mehreren Jahren erstmals wieder aus nächster Nähe zu sehen ist.
Wien. Damit keine Produkte aus Kinderarbeit mehr in österreichischen Supermarktregalen landen, fordert die Dreikönigsaktion (DKA) der Katholischen Jungschar die konsequente Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes.
„HerzWerk"
Dem Benediktinermönch David Steindl-Rast und der Soziologin Alexandra Kreuzeder gilt der Dichter Rainer Maria Rilke als spiritueller Wegweiser. Mit ihrem neu erschienenen Buch „HerzWerk" wollen die beiden ihre Freude an Rilke zu dessen 150. Geburtstag an ihre Leserschaft „weiterschenken", wie sie eingangs schreiben. Insbesondere der Spiritualität des Dichters, der sich immer wieder mit dem großen Geheimnis des Seins auseinandersetzte, soll das Buch in der Beschäftigung mit Rilkes „Sonetten an Orpheus" „nachspüren". In 24 Meditationen setzen sich Steindl-Rast und Kreuzeder mit einem der Hauptwerke des Dichters auseinander.
Seit seine Mutter dem 12-jährigen Steindl-Rast Rilkes Stundenbuch schenkte, begleitet ihn dessen Dichtung als "Licht und Leitstern", wie Steindl-Rast schreibt. Die Sonette an Orpheus, die nur vier Jahre vor dem Tod des Dichters entstand, sei geradezu "ein Füllhorn seiner schönsten, unvergesslichen Bilder", so der 98-jährige Ordensmann.
Auch das noch...
Polens Missbrauchskommission: Bischöfe entziehen ihrem Primas die Zuständigkeit
Die Polnische Bischofskonferenz legt die Vorarbeiten für eine Untersuchung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche überraschend in neue Hände. Auf ihrer Vollversammlung im schlesischen Katowice (Kattowitz) entzogen die Bischöfe Primas Erzbischof Wojciech Polak die Zuständigkeit für die Einrichtung einer landesweiten Aufarbeitungskommission für Missbrauchsfälle, wie aus einer offiziellen Mitteilung vom Donnerstag hervorgeht. An Polaks Stelle wurde Bischof Slawomir Oder damit beauftragt, die Dokumente für die Arbeitsweise des geplanten unabhängigen Expertengremiums zu erstellen, das „das Phänomen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durch manche Geistliche" untersuchen soll.
Missbrauchsbetroffene reagierten auf den Personalwechsel sehr enttäuscht und kündigten ihre Zusammenarbeit mit der Bischofskonferenz auf. Er fühle sich betrogen, sagte Jakub Pankowiak am Freitag der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI. Die Bischöfe wollten keine unabhängige Kommission einrichten, "um die wir gebeten haben", obwohl es zunächst so ausgesehen habe, dass man gemeinsam vorankomme.
Der Missbrauchsbetroffene Robert Fidura kritisierte den Personalwechsel.
Der promovierte Kirchenjurist Oder (64) wurde 2023 zum Bischof geweiht und leitet die südpolnische Diözese Gliwice (Gleiwitz). International bekannt wurde er von 2005 bis 2014 als Anwalt (Postulator) für die Selig- und Heiligsprechung von Papst Johannes Paul II. (1978-2005).
Erzbischof Polak (60) bleibt Beauftragter der Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Das Amt hat er seit dessen Einführung 2019 inne. Durch sein Engagement für die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals erwarb er sich das Vertrauen vieler Betroffener von sexualisierter Gewalt in der Kirche.
Vatikanbank mit deutlichem Gewinnzuwachs
Die Vatikanbank IOR meldet für das zurückliegende Jahr 2024 einen Gewinnsprung von sieben Prozent. Wie das Institut am Mittwoch mitteilte, lag der Nettogewinn zum Jahresende bei 32,8 Millionen Euro. 2023 betrug er noch 30,6 Millionen, im Jahr davor 29,6 Millionen Euro. Auch das von der Bank betreute Vermögen kirchlicher Institutionen und Einzelpersonen wuchs: von 5,4 auf 5,7 Milliarden Euro.
Aus dem Gewinn führt das seit 2014 vom französischen Finanzexperten Jean-Baptiste Douville de Franssu geleitete Institut 13,8 Millionen Euro (Vorjahr: 13,6 Millionen Euro) als Dividende an den Papst ab. In der Mitteilung heißt es weiter, in Bezug auf Liquidität und Eigenkapital gehöre das IOR mittlerweile zu den solidesten Finanzinstitutionen weltweit. Es folge bei Geldanlagen den ethischen Richtlinien der katholischen Kirche.
Slowakei: Kirche weist Kritik an Gesetz zu Spital-Seelsorge zurück
Die katholische Kirche in der Slowakei weist Kritik an einem neuen Gesetz zurück, das die Seelsorge in Krankenhäusern näher regelt. Kein Geistlicher werde ohne Zustimmung der jeweiligen Patienten Seelsorge anbieten, und Spitalsseelsorger verfügten auch nicht über das Recht, Einblick in Patientenakten zu nehmen, betont Bischofskonferenz-Sprecherin Katarina Jancisinova in einer aktuellen Stellungnahme (9. Juni). Solche Befürchtungen seien unberechtigt. Sehr wohl aber hätten Priester das Recht, „auf Wunsch zu den Patienten zu kommen und deren geistliche Bedürfnisse zu erfüllen".
Hintergrund ist eine am 6. Juni vom Nationalrat beschlossene Gesetzesnovelle, mit der bestehende Regelungen zur Seelsorge der staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften in Spitälern präzisiert werden sollen. Unstrittig ist das darin nochmals bekräftigte Recht der Patientinnen und Patienten auf Inanspruchnahme von Seelsorge. Konsens gibt es auch darüber, dass Seelsorgerinnen und Seelsorger künftig nicht nur zu Besuchszeiten, sondern bei entsprechendem Bedarf rund um die Uhr Zutritt zu Spitälern haben. Vor der Novelle hatten sie den Status normaler Besucher und konnten daher nur zu allgemeinen Besuchszeiten Patienten besuchen, da sie nicht als Mitglieder des medizinischen Personals betrachtet wurden.
Stein des Anstoßes ist die fehlende Definition, wer als Seelsorger gilt beziehungsweise, wer diesen Status bestimmt. Kritiker sorgen sich zudem, dass die Seelsorger Zugang zu vertraulichen medizinischen Informationen erhalten könnten.
Thailand: Christliche Hoffnung zieht Menschen an
Peter Piyachart Makornkhanp, Pfarrer in Bangkok und Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke (POM) in Thailand, freut sich über zahlreiche Erwachsenentaufen: „Zu Ostern hatten wir in Bangkok 200 Erwachsenentaufen, davon 15 aus meiner Pfarrei, der Rosenkranzkirche in Bangkok. Das ist eine gute Nachricht und ein Zeichen der Hoffnung: Es zeigt uns, dass der Herr handelt und Christus die Menschen anzieht", sagte er dem vatikanischen Fides-Dienst.
Er verweist auch auf den besonderen sozialen und kulturellen Kontext, in dem die katholische Gemeinschaft lebt. Thailand ist zu 90 Prozent buddhistisch. Von 70 Millionen Einwohnern sind nur etwa 300.000 Katholiken: „Als Kirche sind wir eine kleine Minderheit, zerbrechlich, aber stark im Glauben. Wir sind in der Gesellschaft respektiert, wir haben gute Schulen. Wir haben ein gutes Verhältnis zu allen", so der Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Thailand.
Ordensfrau war erste promovierte Informatikerin der USA
Sie war Ordensfrau, Mathematikerin und eine der Pionierinnen des digitalen Zeitalters: Sister Mary Kenneth Keller. Vor 60 Jahren promovierte sie als erste Frau in den USA im damals noch jungen Fach Informatik. Damit schrieb sie nicht nur Wissenschafts-, sondern auch Frauengeschichte - und verband ihre technische Vision mit einem klaren sozialen Auftrag.
Geboren wurde sie am 17. Dezember 1913 in Cleveland, Ohio, als Evelyn Marie Keller. 1932 trat sie in den katholischen Orden der "Sisters of Charity of the Blessed Virgin Mary" (BVM) ein und nahm den Ordensnamen Mary Kenneth an. Ihre ewigen Gelübde legte sie 1940 ab. Nach einem Bachelor in Mathematik 1943 und einem Masterabschluss in Mathematik und Physik 1952 - beide an der DePaul University in Chicago - wandte sie sich Anfang der 1960er Jahre den Computern zu.
Pionierin in Forschung und Lehre
Ihre Dissertation an der University of Wisconsin-Madison beschäftigte sich mit automatischer Mustererkennung - ein Themenfeld, das später Teilbereich der künstlichen Intelligenz wurde. Im Juni 1965 war sie damit eine der ersten Personen überhaupt, die in den USA einen Ph.D. in Computer Science erhielten, und gilt als erste Frau mit dieser Qualifikation.
In einer Zeit, in der Frauen an technischen Forschungsprogrammen kaum beteiligt waren, erhielt Keller Zugang zu Computereinrichtungen am Dartmouth College - ein bemerkenswerter Schritt, da das berühmte Summer Research Project on Artificial Intelligence dort offiziell keine Frauen zuließ. Sie arbeitete nicht direkt an der Entwicklung der Programmiersprache BASIC mit, kümmerte sich aber frühzeitig um deren Einsatz im Bildungsbereich. Gemeinsam mit Kollegen entwickelte sie Schulungsmaterialien und unterrichtete unter anderem auch Erwachsene, darunter den bekannten Architekten Buckminster Fuller.
Technik für alle zugänglich machen
1965 gründete Keller das Computer Science Department am Clarke College (heute Clarke University) in Cedar Rapids, Iowa, und leitete es über zwei Jahrzehnte. Sie verstand sich nicht nur als Wissenschaftlerin, sondern auch als Pädagogin mit gesellschaftlicher Mission. Ihr Ziel: den Zugang zu Computern für alle zu öffnen - insbesondere für Frauen, Kinder und sozial benachteiligte Gruppen. Technologie dürfe, so Keller, nicht wenigen Experten vorbehalten bleiben, sondern müsse ein Werkzeug zur geistigen Entfaltung und sozialen Teilhabe sein.
Keller sah keinen Widerspruch zwischen religiösem Leben und wissenschaftlichem Fortschritt. In Vorträgen und Publikationen forderte sie eine ethische Reflexion über Technik und plädierte für deren Nutzung im Sinne des Gemeinwohls. Computer seien, so ihre Überzeugung, nicht nur Rechenmaschinen, sondern Instrumente des Denkens.
Sister Mary Kenneth Keller starb am 10. Jänner 1985 in Dubuque, Iowa. Heute tragen Informatiklabore, Stipendien und Bildungseinrichtungen in den USA ihren Namen. Ihr Lebenswerk wird zunehmend neu entdeckt - als Zeugnis einer Frau, die Wissenschaft, Glaube und soziale Verantwortung auf visionäre Weise verband.