JA 

die neue Kirchenzeitung

 22. Oktober 2023 

Lesungen:  Jes  45,1.4-6; 1 Thess 1, 1-5b. Evangelium: Mt 22,15-21.

something bigger 

In Norwegen ist die katholische Kirche mit nur 160.000 Mitgliedern eine Minderheit. Umso erstaunter wurde die Information wahrgenommen, dass der diesjährige Literaturpreisträger Jon Fosse einer von ihnen ist.
Der Mann, der vielen als bedeutendster norwegischer Dramatiker seit Henrik Ibsen (†1906) gilt, ist „ein bekehrter Katholik  auf der Höhe der Postmoderne“ (Die Zeit, 12.10.2023).
Die „Zeit“ berichtet, dass Fosse mit 16 Jahren aus der norwegischen Staatskirche ausgetreten ist und mit 50 Jahren nach einer schweren Lebenskrise katholisch wurde. 
Warum ? 

Er brauchte – sagte er einst der „Zeit“ in einem Cafe – „einfach something bigger, den Halt in einer jahrtausendalten Festung wie der katholischen Kirche.“
Die „Zeit“ schreibt, von der göttlichen Wahrheit in der Kunst sei Fosse überzeugt, aber auch davon, dass er sie niemals aussprechen kann: „Du weißt, du fühlst, es ist da, es ist da, aber du kannst nicht sagen, was es ist.“
Der Rosenkranz, das große alte meditative Gebet der Katholiken, ermöglicht uns eine Annäherung an das unaussprechliche Geheimnis Gott und eine Betrachtung des eigenen Lebens in seinem Licht.
Jon Fosse – ein Lichtblick in diesem heuer so dunklen Rosenkranzmonat Oktober.  P. Udo 

Hospiz-Rektor Bugnyar: Der Anfang vom Ende.

 
Kon-Text ist – wie der Name sagt – der Text, der mit einem anderen Text zusammengeht. Also: Die Zusatzinformation, die Sie brauchen, wenn Sie nicht nur an der Oberfläche bleiben wollen.
Wir alle hier – und das eint gerade Israelis wie Palästinenser – fragen sich: Wann beginnt die Bodenoffensive? Sie wird Klarheit schaffen, wie die nächsten Tage und Wochen für uns alle hier aussehen werden.
Manche meinen: Im Hintergrund wird fieberhaft verhandelt. Mit Hilfe der Türkei und Saudi-Arabiens. Über die israelischen Geiseln im Gaza-Streifen.
Andere meinen: Die israelischen Luftangriffe eliminieren zuerst die Raketen-Abschussrampen und schaffen Schneisen im dicht-besiedelten Gaza für einen schnellen Einmarsch.
Sobald die Bodenoffensive beginnt, wird sich zeigen:
Werden die Geiseln im Gazastreifen öffentlich hingerichtet?
Wie reagiert darauf die israelische Öffentlichkeit?
Wie reagiert die Hisbollah, die sich ja nicht zurücklehnen kann?
Wie groß ist der internationale Druck auf die Region?
Wie reagiert die Fatah-Regierung der Palästinenser in Ramallah?
Wie die Menschen in der Westbank?
Wie werden die Araber innerhalb Israels reagieren?
Wie unsere unmittelbare Nachbarschaft?
Und vor allem: Wie lange kann Israel einen Mehrfrontenkrieg an den Außen- und Innengrenzen ohne direktes militärisches Eingreifen seiner Partner führen?
 
Das ist der Text, das Offensichtliche. Nun zum Kon-Text.

1.     Die Stimmung kippt
Jeder in Israel weiß: Sobald die ersten Bilder – und die gibt es schon! – über die Zerstörungen in Gaza und tote palästinensische Kinder die Runde machen, kippt die Stimmung.
In den ersten drei Tagen nach dem Samstag-Massaker und den massiven Raketenangriffen der Hamas stand die Welt unter Schock und die allermeisten Menschen auf der Seite Israels. Aus dem Moment heraus, der Emotion geschuldet.
Sobald die Bodenoffensive beginnt, kippt die Stimmung: Weltweit werden Menschen die unvermeidbaren Folgen des Terrors sehen und Israel alleine dafür verantwortlich machen.
Die Frage wird lauten: Wann ist es genug? Wie viele Menschen müssen sterben, um eintausenddreihundert abgeschlachtete Israelis jeden Alters zu rächen? Die Frage der Verhältnismäßigkeit wird nicht zugunsten Israels ausgehen.
 
2.     Die Blockade des Gaza-Streifens
Schlimmer noch: Die Bilder der Bodenoffensive werden dem Antisemitismus weltweit Nahrung geben.
Das weiß hier jeder. Auch die Hamas. Sie wird auch dieses Thema gewinnen.
Vielleicht auch ein Grund, warum Israel zögert mit der Bodenoffensive.
Die Hamas hält nicht nur Israelis in Geiselhaft, sondern auch ihre eigene Bevölkerung.
Das ist sicher so. Unsicher ist lediglich, wie weit das stimmt; wie hoch der Prozentsatz Pro-Hamas in der Bevölkerung im Gazastreifen wirklich ist. Bedenken Sie: Weit mehr als die Hälfte der Menschen dort sind unter 30 Jahre alt und sie kennen kaum anderes als die Hamas. Sie regiert hier seit 2007.
Die Palästinenser im Land unterstützen auch deshalb die Hamas, weil sie es verstanden hat, über sozial-karitatives Engagement den Menschen tatsächlich zu helfen. Die Hamas als Militärapparat steht für viele Palästinenser an zweiter Stelle.
Wer in der durch die Fatah-regierten Westbank unter Präsident Abbas die Hamas unterstützt, tut dies in erster Linie, weil er seine eigene „korrupte Regierung“ loswerden will. Nicht weil er notwendig den Terror bevorzugt.
Israel blockiert seit Tagen vollständig den Gazastreifen; kein Strom, keine Nahrung, hier kommt rein gar nichts durch. Was bedeutet das?
Dass es offenbar diese Versorgungsleistungen davor gegeben hat.
Glaubt jemand ernsthaft, dass die israelische Öffentlichkeit angesichts der Bilder und Videos über Entführte und Enthauptete, bis zur Unkenntlichkeit Verbrannte nicht zumindest eine Sofortmaßnahme der Bestrafung erwartet von ihrer Regierung?
Im Süden gibt es ein israelisches Militärlager, zu dem Angehörige von Vermissten, Haarbürsten und Kleidungsstücke bringen, um die Toten zu identifizieren. Das löst bei Juden unweigerlich Erinnerungen an den Holocaust aus. Und gleichzeitig den Ruf: Nie wieder! Koste es, was es wolle.
Gegen diese Blockade wird weltweit demonstriert; auch in Wien. Israel steht jetzt schon am Pranger, während es noch seine Toten zu Grabe trägt. Dabei würde ein einfacher Blick auf die Landkarte reichen: Der Gaza-Streifen hat auch eine gemeinsame, immerhin 11 km lange Grenze mit Ägypten mit dem Grenzübergang Rafah, einem muslimischen Bruderland.
Wo sind die Demonstrationen gegen die Regierung in Kairo, die ebenso einen humanitären Korridor in ihre Richtung etablieren könnte? Ich weiß schon, da gibt es bilaterale Vereinbarungen, dass man sich nicht einmischt. Soll das ernsthaft die einzige Regel sein, die seit Samstag noch gilt?? Das Argument „humanitäre Katastrophe in Gaza“ gilt nicht auch für die Ägypter?
 
3.     Auch die Hamas ist möglicherweise „schockiert“
Wissen Sie, was ich mittlerweile glaube: Dass die Hamas selber von ihrem „Erfolg“ am Samstag überrascht ist.
Israel hat einen der effektivsten Sicherheitsapparate der Welt. Nicht grundlos, wie man sieht. Sicher wollte die Hamas einen kräftigen Schlag erzielen, doch womöglich kein Massaker. Was kein Israeli für möglich gehalten hätte, hielten sie ihrerseits eher für einen „Wunschtraum“. Vielleicht ist die Hamas-Führung ebenso schockiert wie die Israelis. Denn jetzt müssen sie alle persönlich mit ihrem Leben dafür einstehen. Das kann nicht beabsichtigt gewesen sein.
 
4.     Zwei-Staaten-Lösung
Oft höre ich: Die Zwei-Staaten-Lösung ist das Ende des Konflikts. Gäbe es einen eigenen Staat Palästina schon, wäre das nicht passiert.
Israel hat sich 2005 aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Hier herrscht seit 2007 alleine die Hamas. Es gibt eine Grenze. Täglich wurde sie überschritten von Palästinensern, die in Israel Arbeit gefunden hatten. Täglich wurden Hilfsgüter aus Israel in den Gazastreifen gebracht. Hier existieren schon zwei Staatswesen nebeneinander.
Hat der Rückzug der Israelis ihnen Frieden gebracht? Offenkundig: Nein. Wie wollen Sie so einen Israeli überzeugen, sich aus der Westbank zurückzuziehen? Wer garantiert, dass dann Ruhe herrscht?
Wenn die Bodenoffensive neuerlich in einen Besatzungszustand mündet, dann weil es die Hamas „übertrieben“ hat. Das hätte keine noch so rechte Regierung in Israel den eigenen Bürgern schmackhaft machen können.
Noch ein bisschen Kon-Text: Fatah und Hamas sind zerstritten; um es höflich zu formulieren. Die einen in der Westbank, die anderen im Gazastreifen. Wer von einer „Zwei-Staaten-Lösung now“ schwadroniert, müsste schon zuerst diese beiden „Reichshälften“ an einen Tisch bringen.
 
5.     Kon-Text für Linke
À propos „Reichshälften“. Bei aller persönlichen Sympathie für sog. „linke Positionen“: Ihr wisst schon, dass die Hamas kein Verfechter sexueller Selbstbestimmung und Differenzierung ist? Dass homosexuell und divers empfindende Menschen in einem solchen Staat ähnlich behandelt werden würden wie heute schon im Iran?
Dass Christen womöglich kein Recht zur Religionsausübung haben könnten, wird euch vielleicht im Zeichen einer absoluten Toleranz herzlich und ernstgemeint egal sein, doch vielleicht hilft ja der Hinweis auf Minderheitenrechte und Menschenwürde auf die Sprünge.
Es sind am Samstag auch Christen ermordet worden durch Hamas-Kämpfer und einige von diesen GastarbeiterInnen aus asiatischen Ländern in Israel befinden sich auch unter den 150 Geiseln im Gaza-Streifen.
Nichts von alledem wird Rechte wie Linke in Österreich, in Europa davon abhalten, sich ihren eigenen Reim drauf zu machen.
Genau jenen Reim, der ihnen ins Konzept passt.
Einen Reim, in dem Israel keinen Platz haben wird.
 
6.     Die „Rechte“ in Israel
Die rechten Parteien in Israels Regierung sind auffallend still. Auch ihre Unterstützer haben begriffen, dass der Streit innerhalb des Landes, die Massendemonstrationen und die Gegendemos, dem äußeren Feind die innere Schwäche der israelischen Gesellschaft allzu deutlich vor Augen geführt hat. Davor wurde über Monate gewarnt. 
Den Scharfmachern unter den israelischen Politikern war das egal; sie haben weiterhin fröhlich ihre religiös-nationalen Umtriebe in der Westbank forciert. Sie haben eine Mitverantwortung, eine entscheidende sogar, für das, was am Samstag passiert und für das was jetzt passieren wird.
 
Wir erleben den Anfang vom Ende. Bloß welches Ende?
Wissen Sie, seit der Gründung unseres Österreichischen Pilger-Hospizes im Jahr 1863 gab es hier vier verschiedene Staatswesen: Das Osmanische Reich, die Briten, die Jordanier und jetzt Israel.
Vier verschiedene Staatswesen seit unserer Gründung. Nirgends steht in Stein gemeißelt, dass Israel ewig bestehen wird. Das wissen auch die Israelis. 
Und das erklärt Ihnen vielleicht auch die Angst, die hier gerade umgeht. 
Was auch immer jetzt passieren wird: Es wird den alten Feinden Israels neuen Auftrieb geben ... 
 
Markus St. Bugnyár 
Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem
 

Baby Hospital Bethlehem: Versorgung nicht mehr sichergestellt 

Der Angriffskrieg der radikalislamischen Hamas gefährdet nun auch die Arbeit des Caritas Baby Hospitals Bethlehem. Nach der israelischen Abriegelung des Westjordanlandes sei der Zugang für die palästinensische Bevölkerung aus dem besetzten Gebiet nicht mehr möglich, sagte die Präsidentin des Trägervereins Kinderhilfe Bethlehem, Sibylle Hardegger, dem Schweizer Portal kath.ch. Damit seien sie von der Versorgung des einzigen Kinderkrankenhauses im Westjordanland abgeschnitten. 
„Das kann etwa bei Frühgeburten sehr gefährlich sein", so Hardegger in dem am Mittwoch geführten Gespräch. Derzeit würden nur noch etwa 15 kleine Patienten stationär behandelt. In die Ambulanz kämen weniger als ein Drittel der üblichen Zahl. 

 

Kardinal bietet sich im Austausch gegen Geiseln der Hamas an

Kardinal Pierbattista Pizzaballa hat sich in Jerusalem als Austausch gegen Geiseln der Hamas angeboten. „Wenn so Kinder frei kommen und nach Hause kehren können, wäre das kein Problem", antwortete der katholische Lateinische Patriarch von Jerusalem am Montag bei einer italienisch geführten Online-Pressekonferenz auf die entsprechende Frage einer Journalistin und fügte hinzu: „Von meiner Seite aus ist die Bereitschaft da."
Um einen Weg aus der aktuellen Lage zu finden, sei es notwendig, dass die Geiseln zurückkehrten, sagte Pizzaballa. Er sprach von einem konkreten Element und von einer Geste, die dazu führen könne, dass über die aktuelle Entwicklung noch einmal nachgedacht würde. „Andernfalls ist es sehr schwierig, diese Entwicklung aufzuhalten", sagte der Patriarch von Jerusalem. Er spielte damit auf die erwartete Bodenoffensive Israels im Gazastreifen an.
 

Orthodoxe Kirche verurteilt Beschuss von Kirchengelände in Gaza

Das orthodoxe Patriarchat von Jerusalem verurteilt den Beschuss des Geländes um die griechisch-orthodoxe Porphyrius-Kirche in Gaza-Stadt. In einer in der Nacht veröffentlichten Erklärung wirft es Israel vor, das Areal am Donnerstagabend bei Luftangriffen beschossen zu haben. Auf Videos in Sozialen Netzwerken ist zu sehen, dass ein direkt neben der Kirche liegendes Gebäude eingestürzt ist. Nach Kirchenangaben wurde auch das Gotteshaus selbst beschädigt. Am Freitagnachmittag gab das Patriarchat die Zahl der bisher geborgenen Todesopfer mit 18 an, darunter neun Kinder. Rund 100 Opfer würden noch unter den Trümmern vermutet. Über die Gesamtzahl der Toten und Verletzten auf dem Kirchengelände gibt es noch widersprüchliche Mitteilungen. Das Gotteshaus ist die älteste aktive Kirche in Gaza.
Auf dem Areal hatten zahlreiche Familien vor den Luftangriffen Schutz gesucht. Caritas Jerusalem teilte am frühen Freitagnachmittag mit, dass es unter den Toten auf dem Kirchengelände auch eigene Mitarbeiter zu beklagen gibt. Insgesamt sollen mehr als 400 Menschen auf dem Areal Zuflucht gesucht haben. In einer völlig zerstörten Halle, in der knapp 90 Personen untergebracht waren, verloren demnach eine 26-jährige Caritas-Mitarbeiterin, deren Ehemann und ihr Kind ihr Leben. Auch die Schwester der Frau und zwei weitere Kinder sind den Angaben der Hilfsorganisation zufolge unter den Todesopfer. Auf dem Gelände der griechisch-orthodoxen Kirche hatten auch weitere Caritas-Mitarbeiter Schutz gesucht. Über ihr Verbleiben wurde vorerst nichts bekannt gegeben.
Der ursprüngliche Bau der Porphyrius-Kirche stammt aus dem 5. Jahrhundert, das heutige Gebäude aus dem 12. Jahrhundert. Sie liegt in einem historischen Viertel der Stadt und ist nach dem ehemaligen Bischof von Gaza, dem heiligen Porphyrius, benannt, der dort 420 n. Chr. gestorben sein soll.

Papst ruft zu weltweitem Friedensgebet am 27. Oktober auf

Papst Franziskus hat die Konfliktparteien im Nahen Osten aufgerufen, eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden. Bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz sagte der Papst am Mittwoch vor Zehntausenden Pilgern: „Die mögliche Ausweitung des Konflikts ist beunruhigend. Es sind schon so viele Kriegsfronten aufgebrochen. Mögen die Waffen schweigen!" Weiter sagte der Papst: „Der Krieg löst kein einziges Problem, er sät nur Tod und Zerstörung, er verstärkt den Hass und vervielfältigt die Rache. Der Krieg radiert die Zukunft aus!"
Die Gläubigen rief der Papst auf, „in diesem Konflikt Partei zu ergreifen für den Frieden, aber nicht mit Worten, sondern mit Gebet, mit völliger Hingabe". Um das Gebet für den Frieden zu verstärken, rief der Papst den 27. Oktober als weltweiten Tag des Fastens und Betens für den Frieden aus. Auch die Christen anderer Konfessionen, die Angehörigen anderer Religionen und alle friedliebenden Menschen seien aufgerufen, sich in geeigneter Weise daran zu beteiligen. 
Für den Petersdom in Rom kündigte er an, dass dort am 27. Oktober um 18 Uhr ein großes Friedensgebet gehalten werden solle. Die katholischen Diözesen weltweit sollten sich an diesem Gebet beteiligen.
Foto: Vatican Media.
 

Papst: „Wir erleben einen Weltkrieg auf Raten“

Papst Franziskus hat in einem neuen Interview zu einer globalen Kraftanstrengung für ein Ende der vielen Konflikte aufgerufen. „Wir erleben einen Weltkrieg auf Raten", sagte das Kirchenoberhaupt in dem am Montagabend (Ortszeit) veröffentlichten Gespräch mit der staatlichen argentinischen Nachrichtenagentur Telam.
Ein Dialog könne nicht nur national, sondern müsse in globaler Perspektive geführt werden, so Franziskus; "deshalb spreche ich von universellem Dialog, universeller Harmonie, universeller Begegnung". Der Gegensatz davon sei natürlich Krieg. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute gebe es überall Kriege. „Das hat mich zu der Aussage veranlasst, dass wir einen Weltkrieg auf Raten erleben." Das Interview wurde laut Telam bereits Ende September aufgezeichnet, also vor dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel.
 

Papst will Neuausrichtung der kirchlichen Morallehre

Zur Halbzeit der Weltsynode im Vatikan hat Papst Franziskus eine Neuausrichtung der christlichen Morallehre gefordert. In einem am Sonntag veröffentlichten Päpstlichen Mahnschreiben betont er, die Liebe sei der eigentliche Kern der christlichen Botschaft, die Kirche müsse ihre Lehre danach ausrichten. Wörtlich schreibt der Papst: „Das Zentrum der christlichen Moral ist die Liebe (...) die Werke der Nächstenliebe sind der vollkommenste Ausdruck der inneren Gnade des Geistes. Am Ende zählt nur die Liebe." Die Synodenversammlung im Vatikan hat am 4. Oktober gestartet und dauert bis 29. Oktober an.
Die Kirche müsse sich in ihrer Verkündigung auf das Wesentliche konzentrieren, so der Papst. Zur Begründung schreibt er: „Nicht alles ist gleichermaßen zentral, denn es gibt eine Ordnung oder Hierarchie unter den Wahrheiten der Kirche, und das gilt sowohl für die Glaubensdogmen als auch für die gesamte Lehre der Kirche, einschließlich der Morallehre."
Anlass des am Sonntag veröffentlichen Schreibens ist der 150. Todestag der französischen Heiligen Therese von Lisieux (1873 - 1897). Sie hatte in ihren Schriften die überragende Bedeutung der Liebe für den christlichen Glauben betont. Das Schreiben des Papstes trägt nach einem Zitat der Heiligen den französischen Titel „C'est la confiance", der deutsche Titel lautet „Das Vertrauen".
An die Theologen und Ethiker in der Kirche richtet der Papst in dem Schreiben die Aufforderung: „Wir müssen diese geniale Einsicht Thereses noch erfassen und die theoretischen und praktischen, lehrmäßigen und pastoralen, persönlichen und gemeinschaftlichen Konsequenzen daraus ziehen. Dazu brauchen wir Kühnheit und innere Freiheit".

Zahl der Katholiken wächst, Zahl der Priester sinkt

Die weltweite katholische Kirche verzeichnet erneut einen Anstieg ihrer Mitgliederzahlen. Im Vergleich zu 2020 betrug der Zuwachs 16,24 Millionen Menschen. Der Anteil der Katholiken an der Weltbevölkerung ging jedoch wie schon im Vorjahr leicht zurück. 17,67 Prozent der Menschheit (minus 0,06 Prozent) gehörten 2021 der katholischen Kirche an. 
Weltweit leben demnach rund 1,38 Milliarden Katholikinnen und Katholiken. Anstiege verzeichnete die größte unter den christlichen Kirchen auf allen Kontinenten, mit Ausnahme von Europa (-244.000). Die höchsten Zuwächse gab es in Afrika (+8,31 Mio.) und ganz Amerika (+6,63 Mio.). In Asien stieg die Zahl der Katholiken um 1,49 Millionen. 
Der Abwärtstrend beim geweihten Personal setzte sich laut der neuen Statistik fort. Die Zahl der Priester, sowohl Diözesan- als auch Ordenspriester, sank um 2.347 auf insgesamt 407.872. Mit Abstand verzeichnete Europa unter den Kontinenten den größten Rückgang (-3.632), gefolgt von ganz Amerika (-963). Anstiege gab es in Afrika (+1.518), Asien (+719) und in Ozeanien (+11). Dennoch arbeiteten in Europa mit 160.322 nach wie vor mehr Priester als in jedem anderen Kontinent.
Ebenso ging die Zahl katholischer Ordensangehöriger zurück: Ein Minus von 795 verzeichneten die Männer, eines von 10.588 die Frauen. Die Zahl aller Bischöfe weltweit sank um 23 auf 5.340.

Kurznachrichten 

 

Vatikan. Die Vatikanischen Museen erhöhen ab 1. Jänner die Eintrittspreise. Dann kostet das reguläre Ticket 20 statt bislang 17 Euro. 

 

Die Ukraine will pro-russische Kirchengemeinden verbieten. Das Parlament in Kiew nahm in erster Lesung einen Gesetzentwurf an, der die Tätigkeit von religiösen Organisationen untersagt, die mit dem orthodoxen Moskauer Patriarchat verbunden sind. 

 

Deutschland. Im Zuge der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch hat die Diözese Aachen die Namen von 53 Beschuldigten veröffentlicht. Auf der Liste steht auch der 1986 gestorbene Weihbischof August Peters. 

 

Russland. Metropolit Tichon (Schewkunow) wird neuer Bischof der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim. Der 65-Jährige gilt als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin, in russischen Medien wird er als „Beichtvater Putins" bezeichnet. 

 

Türkei. Das orthodoxe Kloster Sumela verzeichnet einen neuen Besucherrekord. Nach offiziellen Angaben der Kultur- und Tourismusbehörde der Region Trabzon wurden in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres bereits mehr als 400.000 Besucherinnen und Besucher gezählt. 

Österreich

 

Steiermark. An der ersten ukrainischen Friedenswallfahrt nach Mariazell haben 500 Pilger teilgenommen. Ostkirchen-Generalvikar Yuriy Kolasa kündigte an, dass die Ukrainer ab nun jährlich nach Mariazell pilgern werden. 

 

Niederösterreich. Der Katholische Familienverband in der Diözese St. Pölten begrüßt die erhöhte Tagesmütter-Förderung in Niederösterreich. Die halbtägige Betreuung bei einer Tagesmutter kostet die Eltern nun nur mehr 150 Euro im Monat. 

 

Oberösterreich. Die Pfarrstrukturreform der Diözese Linz geht in die nächste Runde. Diesen Herbst starten sieben weitere Dekanate als „dritte Gruppe" einen zweijährigen Prozess, an dessen Ende die neuen Pfarren als pastorale Räume mit Pfarrteilgemeinden stehen. 

 

Niederösterreich. Nach nur 15 Monaten Bau- und Einrichtungszeit wurde am  13. Oktober das neue Wohnhaus 
der Caritas in Laa eröffnet. 

 

Wien. Noch bis 21. Oktober engagieren sich österreichweit 5.000 Jugendliche 72 Stunden lang in über 400 Sozialprojekten, vom „Wheelchairmapping" in Wien bis zur Verschönerung eines Pflegeheimes in Graz. 

„Sterblich sein"

„Sterblich sein": Mit einer so betitelten Sonderausstellung über „den unausweichlichsten Bestandteil jeder Existenz" setzt das Dom Museum Wien seine Auseinandersetzung mit Grundkonstanten des menschlichen Lebens fort. Nach Sonderschauen über „Family Matters" (2019) und „Fragile Schöpfung" (2020) „arm & reich" (2021) und „Mahlzeit" (2022) nun also der Tod, der - glaubt man dem bekannten Klischee - besonders gut zu Wien passt. Direktorin Johanna Schwanberg will dessen Bedeutung im individuellen wie auch im kollektiven und gesellschaftspolitischen Kontext nachspüren: „Intime, persönliche Ansätze werden genauso beleuchtet wie die öffentliche, politische Rolle des Sterbens und die Auseinandersetzung damit".
Die Themenausstellung „Sterblich sein" im Dom Museum Wien (Stephansplatz 6, 1010 Wien) ist von 5. Oktober bis 25. August 2024 geöffnet. 
Foto: Kasel mit Skelettmotiv nach Holzschnitt zur Anatomie des Vesal, 1630. Benediktinerstift Kremsmünster, © Stift Kremsmünster, Foto: Norbert Artner

Auch das noch...

Mexiko: Priester überlebt Attentat

In Mexiko hat der Leiter des Zentrums für die Rechte von Gewaltopfern „Minerva Bello", der katholische Priester Filiberto Velazquez, ein Attentat überlebt. Wie lokale Medien berichteten, schossen Unbekannte auf den Geistlichen aus der Diözese Chilpancingo-Chilapa im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero, nachdem er ein Treffen in einer Landschule verlassen hatte. Der Priester berichtete, zwei Männer auf einem Motorrad hätten in den frühen Morgenstunden sein Auto auf einer Landstraße beschossen.
 

Auszeichnung für ORF-Projekt „Was glaubt Österreich?"

Die Abteilung „Religion und Ethik multimedial" des ORF ist für ihre Religionsberichterstattung und ihren Beitrag zur interreligiösen Verständigung von der „United Religions Initiative" (URI) ausgezeichnet worden.  Die Anerkennung, die im Rahmen des Europatreffens der Initiative in Lienz an Hauptabteilungsleiterin Barbara Krenn überreicht wurde, erhielt der ORF insbesondere für das Projekt „Was glaubt Österreich?".
„Was glaubt Österreich?" ist ein multimediales Projekt des ORFs in Kooperation mit der Universität Wien, das Menschen in Österreich nach existenziellen Themen befragt. Fragen sind etwa, was im Leben zählt, was in Krisen trägt und was Kopf und Herz bewegt. Die Antworten fließen in das Programm in TV, Radio und Online ein.

Wiener Bürgermeister installiert einen „Religionsrat“

In Wien wird ein „Religionsrat" ins Leben gerufen. Das hat Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) angekündigt. Angesiedelt wird die neue Institution beim Bürgermeister selbst. Der Religionsrat, in dem jedenfalls die anerkannten Glaubensgemeinschaften vertreten sein sollen, wird laut Ludwig mindestens zweimal im Jahr tagen und dazu dienen, über aktuelle Entwicklungen oder Probleme zu sprechen und Empfehlungen abzugeben.
 

Orthodoxer Theologe: Russland rechtfertigt Ukraine-Krieg theologisch

Russland greift zur Rechtfertigung des Angriffskrieges auf die Ukraine auf Motive einer tief verwurzelten orthodoxen politischen Theologie mit „klerikal-faschistischen" Zügen zurück. Das hat der orthodoxe Theologe Cyril Hovorun bei einem Vortrag an der Universität Wien betont. Der russische Präsident Wladimir Putin werde in der politisch-theologischen Lesart als „Katechon" gesehen, d.h. als jener, der den „Antichristen" aufhält, den die russisch-orthodoxe Kirche im Westen sieht. 
„Wo Putin ist, da ist Russland - wo kein Putin ist, da ist auch kein Russland mehr" - so laute die Gleichung, die den Präsidenten theologisch überhöhe und seinen Krieg in der Ukraine als Verteidigung Russlands deute. 


Tirol: Frischer Wind im revitalisierten Kapuzinerkloster Ried

Nach fünfjähriger Bauzeit wurde das revitalisierte Kapuzinerkloster in Ried in Tirol am 17. September durch Bischof Hermann Glettler feierlich eingeweiht. 
Seit dem Tod des letzten Kapuzinermönchs Philipp Bock im Jahre 2003 stand das Kloster still. Nachdem es die Pfarre in einem desolaten Zustand gekauft hatte, wurde lange über die zukünftige Verwendung des Gebäudekomplexes diskutiert. Nach vielen Vorschlägen konnte 2017 schlussendlich ein umfassendes Nutzungskonzept entworfen werden. Ein Kloster in Form eines geistlich-sozialen Zentrums mit Pilgerhospiz war vorgesehen. Mit dem Baubeginn im darauffolgenden Jahr wurde zuerst das Erdgeschoss des Klosters zu einem Pfarrsaal mit Büro und zwei Seminarräumen adaptiert. Die neu gewonnenen Räumlichkeiten sollen der pfarrlichen Infrastruktur dienen und können für pfarrübergreifende Pastoral von Dritten gemietet werden. 
Im ersten Stock, der ehemaligen Klausur des Klosters, entstand eine Pilgeroase. Bei der aufwendigen Renovierung wurde der ursprüngliche Zustand der Räume wiederhergestellt, um eine ruhige Atmosphäre zu erzeugen. Sechs Zimmer, Waschraum sowie Wohnküche bieten Unterkunft für Gruppen von sieben bis zehn Personen. Derzeit wird die Pilgeroase jedoch an die TSD (Tiroler Sozialen Dienste) vermietet. Sie dient als Wohnraum für Frauen aus der Ukraine.
In der dritten Bauphase wurde die Klosterkirche renoviert und zu einem Raum für liturgische und nicht-liturgische Zwecke umfunktioniert. 
Die anfallenden Baukosten belaufen sich auf 2,6 Millionen Euro. Die Finanzierung konnte größtenteils durch Subventionen sowie durch den Verkauf von pfarrlichem Eigentum und Spenden sichergestellt werden.